Zwei Themen beherrschen Hermann Kinders poetologische Arbeiten:<br/>›Bilder im Kopf‹ und ›literarische Subjektivität‹. Wie immer wir uns<br/>einstellen auf die Welt und die anderen Subjekte in ihr: Wir verfertigen<br/>zwangsläufig Bilder, Schemata, Klischees, deren Wahrheitswert<br/>zweifelhaft ist. Und wann immer wir versuchen, unsere Innerlichkeit<br/>zu entäußern in Sprache, produzieren wir wiederum ›Bilder‹, die bereits<br/>hinterlegt sind in den Zeichen und ihren Gebrauchsregeln. Da<br/>das so ist, fällt moderner Literatur eine zentrale Aufgabe zu: diese<br/>Bilderproduktion in ihrer Unvermeidlichkeit sowohl zu zeigen wie zu<br/>hinterfragen, bildartig-plastische Vorstellungen zu produzieren und<br/>zu destruieren. Dabei entstehen spröde, fordernde Texte, eine sich in<br/>sich reflektierende und sich beständig zur Disposition stellende Literatur,<br/>eine Mischung aus Spiel, durchaus auch komischem Spiel, und<br/>strenger Reflexion: eine Arbeit der Aufklärung. Kinder verortet seine<br/>Überlegungen in der Geschichte der deutschen Nachkriegsliteratur,<br/>die er seit den 1970er Jahren selber mitgeprägt hat. Welch Leidensweg<br/>ihm dies phasenweise war, kommt in schonungslosen Selbstanalysen<br/>zum Ausdruck. So verbinden sich in diesen Nachlassarbeiten – Arbeitsnotizen,<br/>Vortragsmanuskripten, Entwürfen – Literaturtheorie,<br/>Literaturgeschichte und Autobiographie.