Vier Uhr morgens. Es ist noch dunkel. Nicht einmal ein heller Schimmer zeigt sich am Horizont und die Sterne glänzen klar. Florence erhebt sich von ihrem Lager, weil sie während des Schlummers eine Stimme zu vernehmen gemeint hatte:<br><br>«Nicht schlafen! Dich erwartet das Leben, dich erwartet die Arbeit!»<br><br>Welche Lust, aufzustehen, jung zu sein, fähig etwas Tüchtiges zu leisten! Florence springt aus dem Bett und gleich ist jede Spur von Schläfrigkeit verschwunden. Sie zündet die Lampe an und denkt an den Tag, der vor ihr liegt.<br><br>Das Haus ist ganz still. Doch dort auf dem Tische liegen die unbeendeten Aufgaben, sie mahnen wie das Läutwerk einer Weckeruhr. Rasch hat sie sich angezogen und sitzt schon vor ihrem Schreibtisch. Sie sieht ihre Hefte durch.<br><br>«Die Lateinaufgabe ist für heute. Doch auf morgen muss ich den « Phaedon » übersetzen. Ja, ich erinnere mich genau an die Stelle. Fangen wir mit Latein an.»<br><br>Aus den musterhaft geordneten Schubladen entnimmt das junge Mädchen Lehrbuch, Hefte und Wörterbuch. Nun widmet sie sich aufmerksam und intensiv der Arbeit, vom roten Licht der Lampe beleuchtet, das ihrem Haare goldene Reflexe entlockt.<br><br>Alles um sie her ist in Schweigen versunken. Für Florence existiert jetzt gar nichts ausserhalb des lateinischen Textes der «Zweiten Tuskulanischen Disputation», die sie zu übersetzen hat:<br><br>«Ihr habt mir immerhin genug gewährt, als Ihr mir die Antwort gegeben habt, Unehre schiene Euch ein grösseres Übel als Schmerz.»<br><br>Die Aufgabe ist schwer. Doch es ist nicht Florencens Art, sich von Schwierigkeiten abschrecken zu lassen.