Heinrich Heines Humanismus hat viele, sich zum Teil widersprechende<br/>Dimensionen. Aber gerade in dieser Vielschichtigkeit ist er zutiefst<br/>verbunden mit den gravierenden Umbrüchen, die die erste Hälfte des<br/>19. Jahrhunderts prägen: Mit dem Ende der Goethezeit verlieren Vorstellungen<br/>ihre Plausibilität, die von der Epochenschwelle um 1800<br/>herkommen: vom »ganzen Menschen«, von der Geschichte als Fortschritt<br/>und von der Rolle, die Kunst und Dichtung für die »Erziehung<br/>des Menschengeschlechts« spielen können. In einer Übergangsphase,<br/>in der dieses Alte seine Verbindlichkeit verliert und in der um das<br/>Neue noch gestritten wird, engagiert sich Heine für eine humane Welt.<br/>Dabei versteht er sich selbst emphatisch als Zeitgenosse, dem »der große<br/>Weltriss mitten durch das Herz geht«. Der Band zeigt, welche vielfältigen<br/>Vorschläge Heine dafür unterbreitet, wie die Geschichte der<br/>Menschen neu gesehen und gestaltet werden kann - in einer Haltung<br/>des Experimentierens und in der ihm eigenen, unnachahmlichen Diktion<br/>zwischen Betroffenheit und spöttischer Distanz. Und er zeigt, wie<br/>Heine, als getaufter Jude und Exilant in Paris ein Außenseiter, dabei<br/>immer und trotz aller scharfen Kritik an den Zeitläuften voller Empathie<br/>für die leidende Menschheit ist.